Vilnius – Daugavpils

Vilnius war wunderbar! Der Regen verzog sich im Laufe des Vormittags, die Sonne kam raus 😊.

So viele grundverschiedene prächtige Kirchen, Bauwerke des Barocks, des Klassizismus, der Gotik und der Renaissance! Die mittelalterliche Stadtstruktur ist auch noch da, enge Altstadtgassen, dazu feine Cafés, der schöne Park, die unabhängige Republik Uzupis … Da kann man sich den ganzen Tag treiben lassen. Unbedingt einen Besuch wert!

Wahrzeichen ist der Gediminas-Turm auf dem 142 m hohen Burgberg.

Die Aussicht von oben dazu:

Ein kleiner Bilderbogen:

St. Franziskus
Im Inneren uralte Wandmalereien
St. Theresia
Kirche der Hl. Dreifaltigkeit
Klostergarten
Burganlage
Baltischer Hering, fein serviert und ebenso mundend
Engel, Trompete spielend, symbolisiert die Erneuerung und die künstlerische Freiheit des Stadtteiles Uzupis
Die Verfassung von Uzupis

Die Ausrufung der unabhängigen Republik Uzupis ist eine Kunstaktion. Man gab sich eine Verfassung, einen Präsidenten, eine Flagge und eine 12 Mann starke Armee, die aber wieder aufgelöst wurde, weil sich UZ als einziges Land der Welt zum völligen Gewaltverzicht verpflichtet hat…mehr

Davor, bis 1990, war Uzupis ein völlig heruntergekommener Stadtteil am Flüsschen Vilnia, zählt jetzt aber zu den begehrtesten Adressen der Stadt.

Schön! Aber ich muss weiterfahren. Am nächsten Morgen noch 1,5 h Lauftraining an der Neris, dem großen Fluss, der an Vilnius vorbeifließt. (Da sind mehr Läufer unterwegs). Die Vilnia ist „nur“ ein kleines romantisches Flüsschen dagegen.

Check Out um 12 Uhr. Baltischer Hering zum Abschluss. Heute ist es nicht weit, gleich zwei Campingplätze in in 60 km Entfernung auf der OSM-Karte eingezeichnet. Also, wenn der eine nix ist…

Die A12 meide ich, ich fahre dem EV-11 nach, dem schon bekannten Euro-Velo 11, der sich quer durch Europa zieht. Habe jetzt Zeit und kann mir den einen oder anderen Zacken erlauben. An der Neris entlang geht’s zuerst, prima zu fahren, sogar die Beschilderung passt, aber nur die ersten km, schade. Habe den Weg aber auf der Handy-OSM-Karte verzeichnet. Nanu, will er denn jetzt hin? Kopfsteingepfasterter Weg, steil in den Wald rauf, mit ansonsten lauter aufgeweichten Wegen, schaut nicht so toll aus. Nee, doch lieber Straße, die hier nur ein Sträßchen ist und sich weiter am Fluss schlängelt, geht auch in die richtige Richtung. Die 60 km sind bald rum, Pabrade am späten Nachmittag erreicht. 5 km zum Campingplatz, aaaber – da steht nur eine Brotzeit-Bank am Fluss. Hhhmmm, dann weiter zum nächsten. Ohh, Sandpiste auf einmal, noch einige wildromantische km, aaaber da ist wieder nur eine … und viele Schnacken! Schnell raus aus dem Wald, Handy konsultiert: In 30 km gibt’s ein Hotel…Nur Mini-Ortschaften davor. Gas geben was das Zeug hält, denn es wird gelegentlich ja auch mal dunkel! Dunkle Wolken hingegen drohen nur, trocken bleibt‘ s immerhin. Noch 10 km, dunkler wird’s, es sind nicht die Regenwolken… da ein Schild mit Hotelzeichen: 1 km, links rein, prima! Bungalow’s im Wald, Licht brennt. Arbeiter sägen fleißig so spät noch, es wird renoviert…Nein, hier kann man übernachten, not possible. Ob ich mein Zelt da hinten aufstellen darf. Hhhmmm. Ich erkläre, was ich mache, überreiche meine Karte. „That’s crazy“, meint der eine. Nach Moskau? „That’s not easy“, sagt der nächste. Aber, also dahinten beim Gate kann ich zelten, und ich hinterlasse doch keinen Abfall? Ok so … Noch mehr Männer werkeln herum und fragen, wer ich bin. Kaum habe ich es mir dann im Zelt bequem gemacht, ruft mich einer, „klopft“ ans Zelt. Er will mir helfen, ob ich hot water brauche oder Trinkwasser, oder sonstwas. Ich bedanke mich, denn ich habe ja alles dabei. Ok, er geht wieder, kommt aber wieder mit einem Teller voller Käsebrote, Tee (sorry, er habe leider keinen Zucker) und was zum Naschen als Nachtisch! Nach einer Stunde ist er nochmal da: Ein Eimer heißes Wasser … Danke, gute Nacht und „See You tomorrow“, sage ich zum Abschied, aber da ist dann niemand zu sehen.

Weiter geht’s. Schöne Landschaft, bunte Häuser…

Der Baustil verrät die Nähe zu Russland. In Svencionys wird von 2015 – 2020 die Kathedrale renoviert.

In Ingalina kreuzt der Eurovolo 11 wieder auf, ohne viele Zacken führt er bis Dagauvpils. Ein Stück ist gestrichelt auf der Karte, das Wegstück ist nicht lang, es wird wohl nicht weiter schlimm sein. Außerdem geht es über einen kleinen reizvollen Grenzübergang nach Lettland. Den nehme ich, die 102 ist grad nicht so schön, zu viel Verkehr.
Mittagspause. Um etwaigen kein-Campingplatz-Überraschungen vorzubeugen buche ich schnell ein Zimmer im Hotel „Erfolg“ in Dagauvpils, empfohlen von Doris und Klaus. Das werden dann zwar 130 km werden, aber das macht nix, es ist noch genug Zeit. Kaum ist sie Buchung bestätigt, da fängt es an zu regnen, zu regnen und zu regnen. Außerdem muss ich mich navigieren lassen, denn beschildert ist der EV-11 hier überhaupt nicht. Das Handy will stur einem anderen, längeren Weg folgen, ich folge stur dem EV-11. Es gießt, unglaublich dicke Tropfen prasseln herab. Pause? Kaffee wäre nett. Wo? Nur Kuhdörfer. Der Handy-Strom reicht auch nicht ewig. Tankstelle!! Steckdose! Kaffee! Polsterbank in der netten Sitzecke! Foto durchs Fenster:

Alles bestens! Extreme Nässe zwar, aber auch Rückenwind. Ich rase, fliege nur so dahin, bin froh über die kleinen Straßen. Wo kaum Autos sind, gibt’s auch keine zusätzlichen Wasserfontänen! Ahhh, ohh, wieder eine Sandpiste. Geht langsamer, aber doch recht gut zu fahren, das „Wellblech“ hält sich in Grenzen. Und jetzt? Das Navi meint: Abzweig versäumt! Aber wo war denn da einer? Paar Meter zurück, ja hier?!?!! Doch, das isser. Der gestrichelte Weg, grasüberwuchert, viele Brennessel, quieschnass, und voller Pfützen sowieso. 2 km schieben oder viele km Sandpistenumweg? Schieben! Hoffentlich komme ich durch! Jaja, der EV-11, da hat wer wohl im vegetatsionsarmen Frühjahr oder Spätherbst die Strecke auskundschaftet? Oder waren die Wegbasteler gar nicht vor Ort. Ab und zu ducke ich mich unter den tiefhängenden Ästen, das Rad passt zum Glück durch. Walter Költsch hätte seine Freude drangehabt, beim Filmen hier, echt verrückt diese Wegführung für einen Fernradreiseweg, der die Leute begeistern soll…Da Wiese, etz geht’s leichter zu schrieben und da vorne ist die Sandpiste wieder. Alles ist relativ, schneller als das Schiebestück ist die allemal, dennoch hier recht holperig, mehr als 10-12 km sind nicht drin… Große Schilder von hinten auf einmal, nanu bin ich schon … ich drehe mich um: Tatsächlich große Tafeln, die anzeigen wer wo in Litauen wie schnell fahren darf. Die Grenze!

 Lettland empfängt mich mit extremer Nässe! Und Russland dann mit der Sintflut? Ach Quatsch, nicht überall gibt’s logische Fortsetzungen.

Geradewegs müsste die Straße nun bis Dagauvpils führen, laut EV-11, was meinem Navi nicht gefällt. Im Zickzack will’s mich schicken und noch 24 km wären es. Hoppla, so weit noch? Unlogisch! Wie gesagt, ich fahre stur dem EV-11 nach (aber nur noch heute, weil er jetzt einfach nur noch geradeaus geht, ohne Strichelstrecken). Die Sandpiste hört bald auf, Teerstraße! Radrasen am Tagesende macht süchtig, der Regen trommelt, der Wind weht richtig, ich fliege nur so dahin. Nach 4 km ein Schild: 10 km nur noch! Hach, 27 kmh, manchmal über 30, immer leicht auf und ab. Die große Brücke über die Dauga noch, dann tropfnass und glücklich ins Hotel „Erfolg“! Das war ein Tag!

Daugavpils – hier leben in Folge der ehemaligen sowjetischen Besatzung mehr Russen als Lettländer – ist heute die größte russischsprachige Stadt in der EU, und natürlich von ganz anderem Charakter, wie das zuletzt besuchte, gar nicht so weit entfernte, Vilnius. 

Es gießt noch heftig bis zum späten Nachmittag, im Regen gehe ich los.

Der große Spingbrunnen im Stadtpark

Sehr beeindruckend ist die 150 ha große Festungsanlage, die einzige des frühen 19. Jh in Osteuropa, die im wesentlichen unverändert erhalten ist, die weltweit letzte im Bastionärasystem erbaute Stadt. Sie war wie eine eigene Stadt, als Ideal einer Stadt in der Stadt, von den besten zaristischen und europäischen Baumeisten geplant. Das Innere glich einer Garnisonsstadt mit Paradeplatz in der Mitte, 10 breiten Straßen, 80 Gebäuden, Grünanlagen etc.

Der äußere Ring

Nach dem Regen spiegelt sich alles:

In den Cafés gibt’s hier auch wunderbare Desserts, Sahne mit Früchten etc. Wie überall auf der Welt erzählen da gereifte Damen einander eifrigst höchst Interessantes, die jüngeren gucken mehr auf ihre Smartphones…

Morgen geht’s weiter, am besten gleich bis Zilupe an der russischen Grenze, vorsichtshalber nicht ganz auf den Spuren des Euro-Velo 11.