Sonntagmorgen, kleiner Sandstrandlauf und etwas Lauf-ABC vor dem Frühstück, Zusammenpacken und weiter geht’s. Mein Kleingeld habe ich am Campingplatz gelassen (17 Zltoty – 4,2 Zloty sind ca. 1€). Große Scheine sind nix für kleine Dorfläden, die es hier zahlreich gibt und auch am Sonntag lange aufhaben. Eine idyllisch gelegene Tankstelle mit Kaffeeausschank samt Rastbänken und Blick auf hohe ungemähte Blumenwiesen, deren Gräser sanft im Wind schaukeln, löst das Problem. Lächeld macht die junge blonde Polin aus meinem großen Schein genügend kleine und schenkt frischen Kaffee ein. Diese Nebenstrecke nach Pila, parallel zur stark befahrenen 22, ist schön mit vielen, ja fast unterbrochenen urigen alten Alleen. In den Dörfern halten sich viele noch Kleinvieh; Hähne krähen, Hunde bellen, Ziegen meckern (über was nur?), ein Tal mit gewundenen Sträßchen, Fluss und Flüsschen und Eisenbahnlinie, alles noch ein bisschen ursprünglicher als bei uns, manchmal für den Radfahrer etwas zu ursprünglich. Gepflasterte Ortsdurchfahrten, mit Pflaster manchmal von der allerbesten alten Sorte, versteht sich. Daneben alternativ auf dem sattgrünen Grasstreifen eine MTB-Spur…Was nehmer denn?! Beides abwechselnd probieren …
Aber das macht gesamtstreckenmäßig nur wenig aus, ist eher witzig. Meistens geht’s flott voran und gut zu fahren, oft auch auf neu geteerten 1a-Straßen, die aber auch die Autos rasen lassen.
Tja, und viele viele Radwegschilder gibt’s hier! Die Radfahrer sollen offenbar runter von der Straße. In jedem Ort soll man mit dem Bike auf dem gepflasterten oder Plattengesteig fahren, der auch noch oft die Straßenseite wechselt. Ich mag aber nicht so herumeiern, zumal fast kein Verkehr ist. Ich bin doch nicht die Eierfrau! Niemand beschwert sich, dass ich auf der Straße fahre, keiner hupt, die meisten machen ein großen Bogen um mein Fahrrad. Ob das an meiner Warnweste liegt? Dann gibt es wieder breite supergeteerte Radwege, die ich natürlich gerne benutze. Also liebe Straßenverkehrsplaner, sorgt bitte für gute Radweg, die praktikabel zu befahrenen sind, dann fahren mehr Leute gerne mit dem Rad … Der Gipfel der Radfahrerabschreckung sind Radverbotsschilder auf neuer aalglatter schönster Straße, wo es leicht und flott und holperfrei bergab zu rollen ginge und der liebe Radfahrer doch bitteschön den Holperweg mit den Fußgängern teilen soll. Da bin ich lieber lieb zu den Fußgängern und klingle sie nicht weg beim Sonntagsnachmittagspaziergang..
In Pila dann Spätnachmittagspause im modernen Bistro, wo das bepackte Rad gut zu beobachten ist. Gemüsetarte dazu ist mir grad lieber als Kuchen. Mit neuen Kräften dann 26 km Tagesend-Rasefahrt zum Campingplatz bei Krajenka. Die Navigation ab Ortsende führt über eine Sandpiste. Hoffentlich ist da was, es ist schon fast 20 Uhr! Aha, ein Schild auf polnisch, aber ohne Zeltsymbol. Ich biege ein: Ein Haus, ein Hütte, Kanus, Lagerfeuerstelle, Apfelbaum und Wäscheleine, keine Zelte… da, ein Mann und eine Frau! Ja, da kann ich campen!
Die Tochter, die Englisch kann, wird zum Dolmetschen herbeigeholt. Hier ist die Küche…ob ich Duschen will? Der Mann wirft Holzscheite in den Ofen für warmes Wasser.
Holz darf ich auch nehmen für’s Lagerfeuer…ja und woher und wohin denn?? Neugierige Blicke auf Tacho und Karte. Ich erzähle, auch die Afrikatour und der geplante Halbmarathon am Ende der Reise stoßen auf Begeisterung… Später fragt sie, wann ich morgen wegfahre, ob ich einverstanden wäre, eine Journalistin würde gerne in der Frühe kommen, so um 8.00 – 8.30 Uhr…. Ich mache mir einen Kaffee, ein Junge hat das Lagerfeuer entfacht – was für ein wunderbarer Tagesausklamg.
Um 7.30 ist die Dame dann schon da und interviewt begeistert mit Micro. Am Schluss umarmen wir uns. Sie will mir dem Bericht schicken – siehe unten!
Ein Abschiedsfoto noch mit den lieben Campingplatzbesitzern, die auch Bootstouren veranstalten. Da würde ich gerne nochmal kommen, das war das bisher absolut beste Quartier auf der Reise!
Klaudia ließ mir jetzt auch ihren Bericht zukommen; Peter Steger hat ihn dankenswerterweise aus dem polnischen übersetzt, here it is:
Königliche Begegnungen
Wasoszki ist Haltestelle für viele Fahrradfreunde. Diesmal war bei uns Gertrud Härer zu Gast, die mit dem Fahrrad von Deutschland nach Russland unterwegs ist.
Gertrud am Montagmorgen in Wasoszki kurz vor der Abreise zur nächsten Etappe
Foto: Klaudia Siekanska
Am Sonntag spät abends ruft mich Piot Król aus Wasoszki an und berichtet mir, dass bei ihm die nächste „positiv durchgedrehte Person“ angekommen sei, denn zwei Tage vorher hatte er mich mit Karol Dzieciatko bekannt gemacht, der von Amerika nach Schweden durch Polen gelaufen ist. Diesmal war es ein Gast von der westlichen Grenze, Gertrud Härer, die mit dem Fahrrad von ihrer Heimatstadt, Erlangen, bis nach Wladimir in Russland unterwegs ist. Frau Gertrud treffen wir am Montagfrüh nach ihrer Übernachtung im Zelt. Um 07,30 Uhr war sie schon bereitet zur Weiterreise. Sie plant, in den nächsten zwei Tagen die Strecke von Wasoszki bis nach Danzig zu schaffen. Am 14. August hat sie vor, die Gegend von Chojnice zu erreichen. Auf Ihrem Blog, den sie jeden Tag aktualisiert, kann man ihre Reiseroute verfolgen. Wir haben festgestellt, dass ihr alles gelungen ist, wie sie es geplant hatte. So hat sie am 15. August die Sandstrände der Ostsee erreicht. In ihrer Internetberichterstattung fehlt auch nicht die Schilderung ihrer Eindrücke von der Begegnung in Wasoszki. Das Dorfklima und die natürliche Umgebung haben ihr sehr gefallen. Auf die Frage über ihre Eindrücke, wie man sich in Polen mit dem Fahrrad bewegen kann, gab sie zur Antwort, dass sie sich sehr sicher fühle. Sie kümmere sich um alles selbst und trage auch immer die reflektierende Sicherheitsjacke. Über den Zustand der Straßen hat sie sich nicht beklagt, berichtete vielmehr über die schönen Landschaften und die Hilfsbereitschaft der Menschen. Mehr Angst hatte sie in Afrika, wo sie im letzten Jahr mit dem Fahrrad unterwegs war. Dort haben die Einheimischen nicht positiv auf eine alleinreisende weiße Frau reagiert.
Für die Radfahrerin ist die Reise nach Wladimir nicht die erste. Sie hat diese Strecke bereits im Jahr 2013 einmal bewältigt. Damals machte sie aber in der Gemeinde Krajenka keine Station. Frau Gertrud liebt sportliche Aktivitäten. In ihrer Heimat ist sie als Läuferin bekannt. Die Marathondistanz macht auf sie keinen großen Eindruck. Sie will sich aber auch nicht überanstrengen, denn sie meint, der Sport soll für den Menschen angenehm sein und keine eine Anstrengung. Unsere Gesprächspartnerin ist eine Person, die bestimmt schon sehr viel erlebt hat, aber ihr Alter will sie nicht verraten. Sie bekennt jedoch, dass die Liebe zum Sport ihren Körper noch nicht enttäuscht hat. Sie ist so voller Optimismus, dass ihr Lächeln während des Gesprächs nicht von ihrem Gesicht verschwindet. Sie rät aber unerfahrenen Menschen ab, solche Abenteuer zu unternehmen. Sie empfiehlt die eigenen Schwächen zu überschreiten und die eigenen Grenzen kennenzulernen. Sie meint, der Mensch könne sich durch solche Reisen selbst kennenlernen kann und so ein unschätzbares Wissen über sich selbst erwerben.
Klaudia Siekanska