Erste Notizen aus Russland

Sonntagmorgen und auch Sonntagmittags schläft die Welt hier. Alles ist weiterhin so ruhig, dass ich auf dem Weg zur Grenze überlege, ob diese überhaupt offen hat.

Schon kilometerlang davor Laster, aber geparkt auf dem Seitenstreifen. Leute bummeln herum. Als ich um ca. 13.00 Uhr an der Grenze ankomme, stehen gerade mal drei Pkw vor mir. Ich soll vorbeifahren, sagt der letzte in der Reihe. Ja, gerne. Nur ein paar Minuten warten, und schon wird mein Pass begutachtet, Zettel rein und weiter, was sich bestimmt 10x wiederholt. Immer wenn du denkst, das war’s, geht’s weiter. Autos werden am Ende auch noch mit einem Spiegel am langen Stiel überall und besonders auch von unten inspiziert…Nach insgesamt 30 min dann für mich freie Fahrt auf feinstem Asphalt. Wunderbar flitzt das Rad auf der M9. Die „Autobahn“ ist aber nur zweispurig und jeder darf hier fahren. So viel Ruhe auf einer derart gut ausgebauten Straße habe ich aber noch nicht erlebt: Alle 10 min höchstens kommt ein Auto oder ein LKW vorbei, schneller geht das Abfertigen an der Grenze sonntags anscheinend nicht. Ich fahre und fahre einfach dahin. Bäume, Sträucher, ein paar Blumen, Vögel, kleinere Seen, ein Fluss ab und zu … Besonders abwechslungsreich ist es nicht, aber auch nicht langweilig, einfach schönes Zufahren ohne Störung.

Kaum Häuser, die Ortschaften liegen nicht an der Schnellstraße, Tankstellen dann und wann und irgendwann gegen Abend frage ich an einem kleinen Rasthof, wo ein paar LKWs parken und es auch Betten gibt, ob ich da mein Zelt aufstellen darf. Die beiden Männer wollen gerade wegfahren und nicken mit einer Handbewegung. Ja da…ok. Das war’s. Später frage ich, was sie bekommen. Nein, nichts …

Immer weiter nach Osten am Montag, immer zu. Immer so zu ist auf Dauer auch nichts, außerdem brauche ich eine russische SIM-Karte. Auf dem Weg nach Moskau ist Velikie Luki mit ca. 100.000 Einwohnern schon die größte Stadt in Schnellstraßennähe. 5 km nach Norden, ein willkommener Abstecher. Viele Leute unterwegs, Läden, Cafés – von außen unscheinbar

– innen gut:

– aber auch viele Kriegerehrenmale, Wiki schreibt:

Im Zweiten Weltkrieg kam es um Welikije Luki in den Jahren 1941 und 1942 zu heftigen Kämpfen zwischen der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee. Nachdem die Wehrmacht sich nach der Niederlage in der Schlacht um Moskau zurückziehen musste, hielt sie erbittert die Stellung am Fluss Lowat; die sowjetische Offensive Ende 1942 führte allerdings dazu, dass die deutschen Truppen, etwa 7000 Mann, in der Stadt Welikije Luki eingekesselt wurden. Die deutschen Soldaten wurden schließlich Anfang 1943 in der Schlacht von Welikije Luki fast vollständig aufgerieben, wobei die Stadt schwerste Verwüstungen erlitt.

2016 war Velikie Luki 850 Jahre alt

Auf der langen Brücke, die über den Lowat führt, erwische ich eine Gruppe Radrennfahrer:

Als ich die neu erstandene SIM-Karte teste und mich über beste Nachrichten freue, fängt es ernsthaft zu regnen an und so bleibe ich hier, wo leicht ein günstiges Zimmer zu bekommen ist. Weit ist es eh nicht mehr. Jonas will mich am Freitagnachmittag, samt Kristin auf dem Tandem, schon in Volokolamsk treffen, gerade mal 350 km von hier, wenn ich keine weiteren Abstecher mache. Dann fahren wir am Freitag noch 60 km bis Ruza und treffen auf weitere Radfreunde.

In Tuckovo und Zwenigorod werden dann noch mehr Radfreunde zu uns stoßen, bevor es am Sonntag mit einer besonderen Streckenführung nach Moskau geht. Der Montagabend ist für einen Termin bei der Deutschen Botschaft reserviert, am Mittwoch und Donnerstag beschließt das letzte Stück mit 220 km nach Wladimir diese Radreise.

Bin schon gespannt auf alle und alles und freue mich!