Vom Berg Rand zum Bergrand

Unverändert die Situation in Simbabwe: Nach wie vor sind keine Dollars, die offizielle Währung dort, zu haben. Mittlerweile haben wir den besagten Berg Rand für unsere vier Wochen Aufenthalt beieinander, etappen- und tageweise den Visa-Geldautomaten abgetrotzt. Auf dem Weg zur Grenze kommt nur noch ein Ort, wo man Dollars bekommen könnte, in Frage, denn der Grenzort selbst ist zu spät und zu unsicher. In Tzaneen, dem wirtschaftliche Zentrum des Bezirkes, müssen wir alles dransetzen oder einen großen Umweg fahren. Die Berge (!) um Tzaneen sind bis zum Rand ;-)) überzogen mit Teeplantagen, denn der fruchtbare Boden und das subtropische Klima lassen Avocados, Mangos, Kiwis, Orangen und hoffentlich auch Dollars gedeihen.
Schön ist der Weg vom Blyde River Resort, wo wir nach dem Besuch des Blyde River Canyon vom 29. zum 30.5. nächtigten, dorthin: Flott geht’s in der malerischen Gebirgsszenerie bergab, dann ebenso schön wieder rauf, auf einen echten Alpenpass! Jawohl „Alpenpass“! Das mag sich schwer anhören, aber es geht die paar hundert Höhenmeter mit Kurven in gemäßigter Steigung einfach nur rauf, nur rauf, nicht zigmal wieder runter dazwischen. Ein Genuss, nicht ganz unanstrengend zwar, aber eine echte Erholung zu den heiß erkämpften Auf- und Ab- Höhensteigerungen vergangener Tage.
Schnell sind wir oben am Abel-Erasmus-Pass und auch das groß angekündigte Tunnel hat einen Namen: „J.G. Strijdom-Tunnel“, dazu eine Kunsthandwerkseinkaufsmeile davor (und auch danach), sowie eine Gedenktafel. Dies alles lässt mich anhalten, die Sonnenbrille abnehmen, das Licht einschalten um diesen Wunder-was-für-ein-Tunnel gebührend zu begegnen. Aber kaum biegt man um die Kurve und guckt, tiefe Finsternis erwartend, hinein, da guckt man durch’s anderen Ende auch schon wieder hinaus! Ist das Ding überhaupt 100 m lang? In den Alpen würde man es wohl kaum wahrnehmen und benennen … Also lächerlich kurz hindurch und leicht schwebend den Berg hinab. Die Landschaft ist aber so schön, dass ich mehrmals am Bergrand (!) anhalte und gucke und schaue: Hinter jeder Kurve ein anderer Anblick: Wasserfälle und Felsszenerien unterschiedlichster Gesteinsarten. Am auffallendsten sind rot-grün geschichtet gemaserte hohe Felsberge, die ein besonderes Phänomen aufweisen: Wenn die Sonne unter Mittag draufknallt, schauen sie grün (mit etwas weiß-grau) aus:

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Im Abend-, besonders aber im Morgenlicht überwiegt scheinbar der Rotanteil: Sie leuchten wunderschön tiefkräftig rot, in einem besonderen Afrikarot, nicht mit unseren Alpenglühen zu vergleichen. Unten an der tiefsten Stelle beziehen wir Quartier und ich sehe es staunend am nächsten Morgen.
Gemäßigt hinauf geht’s am nächsten Tag dann flott hinunter. Mitten in der Prärie taucht überraschend eine Poststation mit hunderten von Schließfächern auf (es gibt keine Hausbriefkästen wie bei uns), dazu ein Bankautomat, Geschäfte aller Art – und mittendrin als sozialer Treffpunkt der ganzen Gegend (das dazugehörige Dorf haben wir aber nicht gesehen nur die Infrastruktur, seltsam) ein kleiner Obst- und Gemüsemarkt samt Garküche mit großen Töpfen über offenem Feuer. Es gibt überall das Gleiche: Chicken vom Grill oder Beef mit Soße aus dem Topf, dazu Kohl und Pap. Pap pappt und ist Maisbrei, ganz weiß, eigentlich geschmacklos, dennoch recht gut schmeckend. Ich probiere Beef samt Beilagen. Soßiges kommt auf den einen Teller, der trockene Pap auf den anderen. Eine Gabel?? Auf meine Frage hin bekomme ich eine Handbewegung als Antwort! Kein Besteck! Man nehme ein Stück des trockenen pappigen Paps und damit die feuchten Sachen, also Fleisch und Kraut, auf. Und was sollen Schüssel Wasser, Lappen und Seifenpulvertütchen auf dem Tisch? Hat das jemand nach dem Tisch abwischen stehen lassen? Ach Quatsch! Händewaschen, einmal vor dem Essen, einmal danach! Trotzdem esse ich lieber mit meinem Besteck.

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Hier fange allmählich das echte Afrika, jenseits von Südafrika, an, sagt Peter. Läden gebe es weiter nördlich später kaum noch, allenfalls einfache landwirtschaftliche Erzeugnisse und eben die Garküchen mit einfachen Gerichten und immer weniger Fleisch.
Wir fahren weiter, bald ändert sich die Landschaft: Die Berge machen zunehmend großen Obstfarmen Platz, dann folgen zig Kilometer menschenleer scheinendes  eingezäuntes Land: Der Norden Südafrikas ist die Gegend der zahllosen luxuriösen (und teuren) Private-Game-Reserves (nb. „Game“ bedeutet Wild).
Bald sind die Berge endgültig weg, mehr und mehr Verkehr kündigt Tzaneen an. Wir stürmen dort gleich die erste Bank, um das Tauschgeschäft möglichst schnell einzuleiten. Eine Stunde vergeht. Dollar? Haben wir nicht, dauert eine Woche … hhhmmm … die nächste Bank, dauert wieder –  nee wir sind nicht die Hauptstelle, da müssen sie da und da hin … aber inzwischen ist Geschäftsschluss.
Der Bezug unserer Backpacker-Lodge ist eine Erholung, eine grüne Oase, etwas außerhalb. Originell: Die bestens funktionierende Dusche befindet sich, ans überdachte Bad anschließend, unter freiem Sternenhimmel. Das abfließende Duschwasser gießt den Farn und andere üppig wachsenden Pflanzen, Lüften ist kein Thema und der deutlich sichtbare Mars schaut von oben zu!
Am nächsten Morgen lassen wir unsere Räder sicher verwahrt ein- und abgeschlossen in der Hütte stehen und marschieren in die Stadt. Die dritte Bank ist an der Reihe: Dollar, hhhmmm, können wir besorgen, dauert zwei Wochen … Also weiter, die Hauptstelle der Fnb. Lange Schlangen, Monatserster … Wir erwischen einen sehr hilfsbereiten Menschen: Ja, es wäre möglich, bis morgen früh um 8.30 Uhr könnten wir Dollars haben und diese als Ausländer anscheinend auch bekommen. Wir geben die Bestellung auf!
Nun ja, wie sehr soll das Publikum denn leiden? Muss es leiden müssen? Einen Kommentar zu Sabines schönem Berg Rand / Bergrand – Kommentar habe ich schon geschrieben. Ein freundlicher hilfsbereiter Mensch erwartet uns am nächsten Morgen mit den Dollars. Ein sturer Computer mag nicht. Nein, da nützt es auch nichts, dass die Angestellte am Rechner sich die Lippen schnell noch kussmundrot nachfärbt. Sie tippt und tippt und tippt. Ein Flugticket will er, der blöde Compi, zum Nachweis, dass wir die Dollars wirklich brauchen (wie z.B. ein Afrikaner, der mal eben nach Amerika fliegt). Peter hat natürlich keines, meines von Lusaka in Sambia nach Frankfurt mag er nicht, abgelehnt. Nix zu machen. Oder doch? Er mache das jetzt am Rechner vorbei, sagt unser Mann und bittet uns einstweilen Platz zu nehmen…
Eineinhalb Stunden später unterschreibt Peter mehrere Formulare und die Erklärung, er reise nach Simbabwe mit dem Auto … Radfahrer sind nicht vorgesehen, das geht absolut nicht! –
Ab sofort gibt es für uns nur noch einen Bergrand, große Freude und Erleichterung – und ein verspätetes Frühstück mit Ausblick auf die Berge!