Modernes Dorfleben und alte Ruinen

Fast überall sind wir die einzigen Gäste in der Unterkunft, so auch im Cape to Cairo Hotel im Dorf Nemanwa, 30 km von Masvingo entfernt und nahe bei Great Zimbabwe (so die offizielle Schreibweise), der größten Ruinenanlage Afrikas südlich der Sahara, die, nach generationenlangen Kontroversen, als größtes kulturelles Erbe Simbabwes gilt.
Das Dorf Nemanwa ist so etwas wie der Mittelpunkt der weitverteilten umliegenden Streusiedlungen südöstlich von Masvingo um den fjordartigen, 1960 aufgestauten, Lake Kyle, der als landwirtschaftliches Wasserreservoir dient und als Erholungsgebiet beliebt ist. Bootfahren und Angeln sind möglich, Baden jedoch wegen der Bilharziosegefahr und einigen Krokodilen nicht ratsam.
Samstagnachmittagsstimmung als wir hier beim Hotel ankommen, das ich tags zuvor bei einem Ausflug von Masvingo ausfindig gemacht hatte – Zimmer für zwei für 20 Dollar zu haben. Überraschenderweise, denn dieses Dorf war weder auf unserer Reise-Know-How-Karte noch auf der OSM-Karte verzeichnet und wir dachten schon, wir müssten im Park bei den Ruinen ohne jede Infrastruktur Charlets beziehen oder zelten, was genauso viel kostet.

image

Nemanwa also, ein echt afrikanisches Dorf, indem wir die einzigen weißen Gäste waren. Im Ortzentrum ist jedes zweite Haus eine Bar, dazwischen die kleinen Geschäfte, in denen es alles lebensnotwendige gibt.
Das Leben findet auf der Straße statt, die Garküche bietet, wie überall im Land, eine große Portion Sadza (Maisbrei) mit Chicken (kleine Portion) samt etwas Gemüsegrün und Soße für einen Dollar an. Möchte man Beef oder anderes Fleisch, so gehe man in den Laden gegenüber und kaufe sein Wunschteil, das die Köchin dann auf“s Feuer legt.
Ein paar bestens gelaunte Männer, mit den hier üblichen 0,75 l großen Bierflaschen in der Hand, bereiten sich in einer großen Schale Kutteln, Herz und weitere Innereien zu, alles natürlich auf dem offenen Feuer. Ob ich mal probieren will? Eine Riesenportion landet auf meinem Teller neben Sadza und Chicken.
Die Kinder spielen Fußball, ein Auto fährt vorbei, Ziegen und Hühner laufen herum, in einer Ecke wird frisiert … hier ein paar Impressionen:

image

image

image

image

image

Die Fußball-EM läuft anscheinend landesweit in allen Bars, erstaunlich! Billard wird gespielt, afrikanische Discomusik schallt von gegenüber in unser Zimmer, aber um 23 Uhr am Samstagabend ist schlagartig Ruhe! Sonntags putzt man sich dann fein heraus:

image

Der Kleine winkt uns zu, wir machen uns auf den Weg zu Great Zimbabwe. Die alte Ruinenstadt, deren erste Ursprünge auf das 1.Jhd. n. Chr. datiert wurden, hatte ihre Blütezeit zwischen dem 11. und 15. Jh. Sie war der Namensgeber für die heutige Republik Simbabwe, dem früheren Rhodesien, und nicht umgekehrt! „Great Zimbabwe“ heißt sie, die größte, die Hauptstadt des ehemaligen Munhumupata-Reiches, zur Unterscheidung von ca. 150-200 kleineren ehemaligen Städten des vergangenen Reiches, das sich auch über Teile Botswanas, Mosambiks und Südafrika erstreckte. Great Zimbabwe hatte die Kontrolle über den Gold- und Elfenbeinhandel zwischen dem Hinterland und der Küste. Intensive Rinderzucht sowie hohe Zölle und Tributeinnahmen sicherten seinen Reichtum, die Höhenlage von 1140 m bewahrte die Einwohner und die Rinder vor der tödlichen Schlafkrankheit, denn die verursachende Tsetsefliege kommt nur in tieferen Lagen vor.
Wohl weniger zur Verteidigung  – denn auf kriegerische Auseinandersetzungen ließ man sich nicht ein – , als zur Demonstration ihrer Macht ließen die Herrscher zunächst den Hill Enclosure ganz oben auf dem Berg als Königssitz und spirituelles Zentrum erbauen. Geschickt wurde die natürliche Topografie genutzt und die großen natürlichen Stein- und Granitblöcke mit in den Bau einbezogen.

image

image

Auf der Mauer befanden sich vier mysteriöse Specksteinvögel, die keinem echten Vogel ähneln. Wegen ihrer mystischen Bedeutung sind sie auch auf der Nationalflagge Simbabwes zu finden (über dem roten Stern):

image

Von oben hat man einen grandiosen Rundblick, auch auf die tief unten liegenden Great Enclosures, einem deckenlosen Bau mit einem äußeren Mauerring von 255 m Umfang und bis zu 11 m hoch, und einem inneren, der nur teilweise vollendet wurde. Im schmalen Durchgang dazwischen ist es schön kühl.

image

Ein konischer Turm gibt Rätsel auf, denn er ist weder zur Lagerung von Getreide oder als Versteckt für Gold, noch als Wohnraum geeignet.
Vielleicht ist er ein Phallussymbol?

image

Auch dieser Bau diente vermutlich der königlichen Familie als Wohnsitz. 15.000 Tonnen Steine wurden verbaut, man schätzt die Zahl der Steinblöcke auf mehr als eine Million, die da in jahrelanger Schwerstarbeit angefertigt wurden. Dazu erhitzte man die großen Steinblöcke und sprengte sie mit kaltem Wasser bevor sie von Hand weiter bearbeitet wurden, ein Aufwand, der dem eines Pyramidenbaus ähnelt.
Die Mauern sind alle als Trockenmauern, also kunstvoll ohne Mörtel errichtet. ‚Daga‘, ein spezielles Gemisch aus Erde, Lehm und Kies, das zementartige Eigenschaften nach dem Trocknen annimmt, benutzte man für die Plattformen der umliegenden kleineren Wohnhäuser.
Nach dem 15. Jhd. zerfiel Great Zimbabwe allmählich, den die natürlichen Ressourcen waren aufgebraucht: Das Weideland war ausgelaugt, die Wälder abgeholzt, vielleicht sogar das Wasser knapp.
Die Ruinen wurden im 19. Jhd. von Portugiesen, Engländern, Deutschen etc. regelrecht geplündert und dilettantisch ausgegraben, wohl auch um eine nicht ins Weltbild der Kolonialmächte passende schwarzafrikanische Herkunft zu vertuschen. Erst im 20. Jhd. fand die Missachtung afrikanischer Leistungen durch die Europäer ein Ende.

Nach so viel Steinen tut ein Blick auf die Gewächse ringsum gut, Kaktus und Weihnachtsstern blühen:

image

image

Inzwischen sind wir 115 km weiter, in Nyika. Der Ort besteht, wie hier oft, aus einer Tankstelle und einer Steusiedlung und auf unserem Weg herwärts von Nemanwa gab es auch kaum etwas anderes. Die Landschaft wandelte sich zu einem breiten grünen Talboden mit landwirtschaftlichen Nutzflächen, Rinderweiden und vielen abgerundeten bewachsenen Felsen an den Seiten, romantisch anzuschauen. Abgesehen von den Palmen und Riesenkakteen hier ähnelt sie ein bisschen einer Art Maxi-Fränkischen-Schweiz. Weitblick, statt straßenbegrenzender Büsche und Bäume und zum Schluss eine rasante Talabfahrt beendeten den schönen Tag. Eine Logde bot wieder ein großes Dz samt Sofa und Wasserkocher für den gleichen Preis wie in Nemanwa. Zelten könnt ihr zum gleichen Preis, sagte der Besitzer …