…then it’s flat!

Das sagte mir der nette Officer, als ich mich am nächsten Morgen, am  Samstag, 21.5. von ihm und vom Malolotja Nature Reserve verabschiede. Also 30 km bis Piggs Peak und runter und rauf und runter, dann immer schön rollen lassen … Nun ja, erst mal ab dann wieder auf in grandioser Berglandschaft mit Minimalautoverkehr.

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Rasante Abfahrt, dann wieder rauf, 5 km kündigt ein Schild freundlicherweise an (als Hinweis für die LKW-Fahrer gedacht). Da weiß der Radfahrer auch, was er bekommt. (In der Schweiz steht es immer dort: Strecke steigt auf 9 km 400 hm an, oder so, finde ich gut zum Kräfteeinteilen). Oben sind es, durch eine kurze ebene Strecke unterbrochen, nochmal 2 km. Nicht weiter schlimm, kleiner Gang und raufgekurbelt, eher langsamer als schneller. Wer weiß schon, was noch kommt. Meine Karte hat keine Höhenlinien, da muss ich mich überraschen lassen oder glauben, was man mir erzählt. Es geht noch lustig rauf und runter bis Piggs Peak.
Hier stieß William Pigg 1884 auf eine Goldader, die bis 1954 ausgebeutet wurde. Heutzutage wird hier viel Kunsthandwerkliches verkauft, außerdem findet man in der ganzen Region große Forstwälder und entsprechend holzverarbeitende Industrie, samt der großen Holzlaster dazu. Zum Glück für den Radfahrer ist aber grad Wochenende.
Gut, Berge überstanden, mal wieder eben, das sagte mir der Officer, das glaube ich gerne, das wird ein entspannter Samstagnachmittag. Mittag ist grad vorbei, so halb eins rum, 21 km bis zur Swasilandgrenze, die um 16 Uhr dicht macht, das sollte doch drin sein.
Schlechter Straßenzustand zwischen Piggs Peak und Barberton kündigte mir mein Reiseführer an und ungeteert ist der Teil bis zum Grenzort Bulembu, das sieht man auf dem Navi, also rechne ich mit Joggingtempo, ca. 10 km/h. Paar Hügel werden drin sein, aber: ‚It’s flat‘, so hat er mich lachend beruhigt, als ich mich, Schlimmeres befürchtend, erkundigte – und das war sicher auch so gemeint – das schaffe ich leicht rechtzeitig zur Grenze.
Auf gehts, links abgebogen in Peaks Peak. Nein nicht auf, gleich sanft bergab. Die Straße ist für eine unbefestigte super, kein Staub, regenfeucht, gut befahrbar. Ein Hügel, also rauf, wieder runter, um die Kurve, so geht es eine Weile zu. Ich blicke nach vorne: Nanu, was ist denn das?? Da fährt hoch oben am Hang ein Auto runter! Muss ich da rauf? Ganz schön langer Anstieg! Und holperig wird’s. Steine, aufgewühlte Erde. Der kleinste Gang ist zu wackelig, also Schiebestrecke, über eine halbe Stunde lang. Macht weiter nichts, hab ja noch ein Zeitpolster, mal andere Muskelgruppen betätigen. Steil wieder runter. Bin eh nicht die beste Downhill-Racerin, und das Rad ist einigermaßen bepackt, also bremsen, bremsen… Na egal, wieder ein flacheres Stück. Aber dann wieder das gleiche Spielchen: Auf geht’s, absteigen, schieben … da vorne schafft es ein Holzlaster nicht: Er hängt im steilen Anstieg drin und braucht die Hilfe eines Traktors. Die Männer befestigen gerade das Abschleppseil. Wir lachen und winken uns zu. Weiter.
Hhhhmmm, jetzt fange ich doch zu rechnen an. Wandertempo statt Joggingtempo. Die Zeit eilt. ‚It’s flat‘? Hhhmm, ah, wahrscheinlich hat der Officer die andere Strecke gemeint: in Piggs Peak kann man auch gerade aus zur Grenze Jeppers Rief fahren. Das wäre aber ein Umweg bis Nelspruit mit ca. 100 km Autobahn zusätzlich, eine Tagesreise für einen Radfahrer, und nicht die schönste.
Umdrehen brauche ich auch nimmer, bin mittendrin. Es wird immer später. Nochmal ein langes Stück rauf. Du denkst immer, das ist das Letzte, dann wird’s besser. Ein Bus mit winkenden Kindern drin. Schulausflug??
Halb vier. Noch 4 km. Noch ein Anstieg. Kühe. Ländliche Idylle. Keine Lust auf Beeilung. Samstagnachmittag. Die Sonne steht schon tief und taucht alles in schönstes Spätsommerlicht. Noch mal rauf. Dreiviertelvier. Navi fragen: Noch 2 km bis Bulembu und dann nochmal 2 zur Grenze. Beeilung sinnlos.
Viele bunte Häuschen am Hang von Bulembu. Das klingt ein bisschen wie Bullerbü. Den Hang runter. Dorfidylle mit Bach. Kinder. Bulembu war eine verlassene Bergbaustadt, ist jetzt in Privatbesitz und von einer ‚community‘ wieder zum Leben erweckt. Bestes Wasser wird hier abgefüllt, Honig erzeugt, ich kaufe später einen, Landwirtschaft, Tourismus mit Führungen, Museum, Unterkunft – und, um auf Bullerbü zurückzukommen, Bulembu bietet lt. Prospekt 350, vorwiegend aidskranken Kindern (Swasiland hat leider die weltweit höchste Aidsquote), ein Zuhause in Gruppen von je 8 Kindern, ähnlich den SOS-Kinderdörfern. Mehr auf www.bulembu.org und www.missiondiscovery.org/trips/bulembu-swaziland-africa-mission-trips
Ich beziehe ein Zimmer im Backpackerteil der Bulembu Country Lodge und habe das renovierungsbedürftige Riesengebäude für mich allein. Auch im schönen Restaurant der Country Lodge ist niemand außer der Bedienung. Und das am Samstagabend! Ein Bier hätte ich gerne. Nein, es gibt keines. Ein Glas Wein? Nein, es gibt keinen Alkohol hier …
Zur Grenze will man mich fahren am nächsten Morgen, für 100 Rand. Es gehe doch sehr steil rauf und runter und rum.  Ich danke und sage, ich habe es 20 km so bis hierher geschafft und möchte gerne auch die letzten 2 km … großes Erstaunen, aber man lässt mich. Weitgehend geteert das Stück, ein Klacks zu gestern! Da kommt schon das Schild:

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Grenzübergang problemlos, Erstaunen wie immer und ja: Peter war auch da!
Ob ich noch Swasi-Money habe? Ob man es mir umtauschen soll? Tatsächlich finde ich noch 50 Emalageni (Einzahl: Lilangeni) und einige Münzen, kompatibel 1:1 zum Rand und der Rand wird in Swasiland auch überall akzeptiert, Wechselgeld dann so oder so.
Was dann folgt, die 42 km lange Strecke zwischen der Grenze und Barberton, ist ein Highlight der gesamten Tour: Ein wunderschönes picobello geteertes Passsträßchen mit vielen Aussichtspunkten und geologischen Informationen. Ausflügler von SA-Seite kommen zum Picknick. Der wenige Verkehr stört nicht. Wunderbare Sonntagsnachmittagsfahrt. Ich fahre noch weiter bis Nelspruit.
SIM-Karte aufbuchen, lange dünne Schrauben für den abgebrochenen Fahrradständer besorgen (nix hält ewig – ich hatte noch die Idee, das Ding mittels zweier Zeltheringe, Kabelbindern und eine Bierdose zu schienen, aber mit den Schrauben müsste es auch, nur nicht so spektakulär, gehen) dann noch eine externe Batterie und der sehenswerte Botanische Garten waren das Programm für gestern. Heute fahre ich weiter nach Sabie, wo es viele Wasserfälle und Trails gibt, dann zu Peter nach Graskop.